HVG nimmt Stellung: Vorläufer Referentenentwurf Physiotherapie

S T E L L U N G N A H M E                                                                                        Berlin, 2. April 2024

Erste Weichenstellungen für Studium und Praxis der Physiotherapie in Vorläufer von Referentenentwurf erkennbar –

der Hochschulverbund Gesundheitsfachberufe (HVG) nimmt Stellung

Mit Interesse hat der Hochschulverbund Gesundheitsfachberufe (HVG) zur Kenntnis
genommen, dass im politischen Berlin ein erster Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Berufe in der Physiotherapie (Physiotherapieberufereformgesetz – PhyThBRefG) kursiert. Auch wenn dieser Entwurf nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war und schon gar nicht mit dem Ziel einer Verbände-Kommentierung im Umlauf gebracht wurde: die erkennbaren ersten Weichenstellungen bedürfen einer frühzeitigen Kommentierung, in der Hoffnung, gerade in dieser frühen Phase konstruktiv etwas zur Weiterentwicklung beizutragen.
Im Zentrum stehen dabei die Notwendigkeit, das langfristige Ziel einer Vollakademisierung im Gesetzentwurf zu verankern, und die Notwendigkeit, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass hochschulisch erworbenen Kompetenzen auch schnellstmöglich in der Praxis wirksam werden können und dass die Studiengänge in dem Transformationszeitraum zur Vollakademisierung ein attraktiver und wettbewerbsfähiger Zugangsweg zum Beruf bleiben. Studienziele
Zunächst ist festzuhalten, dass aus fachlicher Sicht die Beschreibung der Studienziele und damit die mit dem Studium zu erwerbenden Kompetenzen im Grundsatz den Erwartungen entsprechen, die sich aus dem Niveau 6 des Deutschen Qualifikationsrahmen bzw. dem Niveau 1 des Qualifikationsrahmens für Deutsche Hochschulabschlüsse (HQR) ergeben.
Insbesondere das Kompetenzziel der eigenverantwortlichen Steuerung, Planung und
Gestaltung der Therapie inklusive physiotherapeutischer Diagnostik ist zu begrüßen. Damit sind die wesentlichen Kompetenz-Voraussetzungen für einen Direktzugang an einen Abschluss des Studiums gebunden und die Grundlage für eine Entwicklung weiterführender Master-Studiengänge gelegt.
Die Studienziele entsprechen den Kompetenzzielen auch der bisherigen Bachelor-Abschlüsse in der Physiotherapie, diese sollten entsprechend § 1 des Entwurfs ebenfalls die Berufsbezeichnung „Physiotherapeutin B.Sc.“ oder „Physiotherapeut B.Sc.“ führen dürfen.

Aufgaben der Physiotherapie
Dabei sind eine Begrenzung der Physiotherapie auf bestimmte Körperstrukturen
(bewegungsbezogene und funktionale Beeinträchtigungen des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes) und die explizite Nennung von Behandlungstechniken kontraproduktiv. Dies wird auch der bisherigen Praxis der Physiotherapie nicht gerecht. Sinnvoller erscheint es, auf solche Einschränkungen der Therapie zu verzichten. Stattdessen empfiehlt sich die Nennung der Handlungsfelder Gesundheitsförderung, Prävention, Kuration, Rehabilitation und Palliation in den Studienzielen.

Berufliche Praxis
Damit die in den Studienzielen angelegten Kompetenzen auch zu einer angesichts des
Fachkräftemangels dringend notwendigen Steigerung der Qualität und Effizienz der Therapie führen können, müssen zeitnah entsprechende Bedingungen in der Versorgung geschaffen werden. Hierzu sind Änderungen in den entsprechenden Sozialgesetzbüchern und den Heilmittelrichtlinien erforderlich. Die Vergütung für Diagnostik wie auch der Direktzugang und deren rechtliche Bindung an den PT-Hochschulabschluss müssen schnellstmöglich geregelt werden. Davon hängen sowohl Qualität und Effizienz der Therapie, als auch die Attraktivität des Studiums ab. Denn diese leidet auch derzeit schon daran, dass Kompetenzen erworben werden, die in der Praxis nicht eingebracht werden können.

Finanzierung der berufspraktischen Ausbildung
Die Kosten der berufspraktischen Ausbildung müssen für beide Formen des Berufszugangs gleichermaßen refinanzierbar sein. Dies betrifft insbesondere die Praxisanleitung, aber auch sonstige Kosten. Für die hochschulische Ausbildung werden im Gesetzentwurf dazu keine Aussagen getroffen. Es muss aber sichergestellt werden, dass die Hochschulen den Berufsfachschulen bei der Refinanzierung der Kosten der berufspraktischen Ausbildung gleichgestellt sind.

Finanzielle Anreize für Aufnahme eines Physiotherapie-Studiums
Der Gesetzentwurf sieht eine Ausbildungsvergütung im Rahmen der berufsfach- schulischen Ausbildung vor. Dies ist ein starker Anreiz, eine berufsfachschulische Ausbildung zu absolvieren und ggf. daran einen additiven Studiengang anzuschließen.
Die Vorteile eines Studiums liegen in einem erweiterten Kompetenzerwerb, der eine größere berufliche Autonomie und Entscheidungsfreiheit ermöglicht. Zudem sollte dies mit Tarifverträgen und Vergütungsregeln einhergehen, die einem Studium angemessen sind. Die dafür notwendigen Änderungen in den Sozialgesetzbüchern und Heilmittelrichtlinien und Verhandlungen zwischen Tarifpartnern bzw. Berufsverbänden und Gesetzlicher Krankenversicherung werden einige Zeit in Anspruch nehmen und zu einer Ungleichzeitigkeit von Kompetenzerwerb und Anpassung der Rahmenbedingung zur Umsetzung der Kompetenzen führen. Für junge Menschen in der Entscheidungsphase für ein Studium oder für eine berufsfachschulische Ausbildung sind diese Vorteile nur schwer erkennbar und sie
müssen zudem darauf vertrauen, dass die notwendigen Änderungen auch tatsächlich
umgesetzt werden.
In dieser Situation könnte eine Aufwandentschädigung für die hochschulische
berufspraktische Ausbildung auch einen finanziellen Anreiz zur Aufnahme eines
primärqualifizierenden Studiums setzen. Diese sollte sich ggf. – vergleichbar mit der
Aufwandsentschädigung im Praktischen Jahr des Medizinstudiums – an dem jeweils aktuellen BaföG-Satz orientieren. Sie wäre in den Semestern an die Studierenden zu zahlen, in denen berufspraktische Ausbildung stattfindet. Die Aufwandsentschädigung ist unabhängig von Ausbildungsverträgen zwischen Studierenden und verantwortlichen Praxiseinrichtungen, die wir ablehnen, zu refinanzieren. Hierbei sind Wege zu finden, die eine Fondslösung gegenüber einer einseitigen Refinanzierung über das Krankenhausfinanzierungsgesetz ermöglicht – nicht zuletzt um Qualität und die notwendige Diversität von Praxiseinrichtungen zu sichern und so vor allem auch das häufigste Setting der späteren Berufstätigkeit – die ambulante Praxis – angemessen einzubeziehen.

Transformationszeitraum
Die im Gesetzentwurf angelegte Zweiteilung des therapeutischen Prozesses wie auch der Berufsgruppe der Physiotherapeut*innen ist allerdings hochproblematisch, sofern sie nicht explizit als Übergangszeitraum, sondern implizit als Dauerzustand angelegt ist. Dazu finden sich jedoch in dem Gesetzentwurf keine ausdrücklichen Angaben. Dies halten wir für ein grundfalsches Signal, insbesondere da sich die Begründung der Teilakademisierung explizit auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrates von 2023 zur Weiterentwicklung der Gesundheitsfachberufe stützt. Der Wissenschaftsrat macht an mehreren Stellen in dem Gutachten deutlich, dass die Empfehlungen einer Akademisierung von 10 bis 20 Prozent als Zwischenziel anzusehen sind. So heißt es z.B. auf S. 68 der Empfehlungen:
„Der Wissenschaftsrat hält es für einen gangbaren Weg, zunächst mehrere
Ausbildungswege (hochschulisch und berufsfachschulisch) offen zu halten, auch wenn sich daraus möglicherweise andere Probleme ergeben (Konkurrenz der
Ausbildungssysteme, Unterhaltung von Doppelstrukturen). Er empfiehlt jedoch, die
internationale Entwicklung und Anschlussfähigkeit im Blick zu behalten und in zehn
Jahren auf Basis der erreichten Akademisierungsquoten und des erzielten Aufbaus der wissenschaftlichen Disziplinen differenziert zu prüfen, welche weiteren Entwicklungen erforderlich sind.“
Wenn der hochschulische und der berufsfachschulische Ausbildungsweg nur zunächst
offengehalten werden sollen, so bedeutet dies, dass einer der beiden mittel- oder langfristig aufgegeben werden soll. Da ganz sicher jetzt nicht Studiengänge aufgebaut werden sollen, um sie anschließend wieder aufzugeben, ist klar, dass nach einer Übergangszeit der berufsfachschulische Weg nicht mehr fortgeführt werden soll. Auch der Hinweis auf die internationale Anschlussfähigkeit und Entwicklung kann nur so verstanden werden, da auf europäischer Ebene und nahezu weltweit eine hochschulische Ausbildung in der Physiotherapie längst Standard ist.
Um den Akteur*innen und Stakeholdern (Berufsinteressierte, Studierende, Auszubildende, Lehrende an Schulen und Hochschulen sowie die Bildungs- und Versorgungseinrichtungen) zu ermöglichen, ihre individuellen berufsbiographischen und organisatorisch-strategischen Zielen an einer planbaren Zukunft auszurichten, sollte diese Perspektive auch in dem Gesetzentwurf festgeschrieben werden. Letztlich ist die Vollakademisierung aus einer Vielzahl von Gründen ein Sachzwang. Zu nennen ist hier insbesondere die höhere Therapie-Effizienz.
Gerade die höheren Kompetenzen gepaart mit einer höheren Autonomie und
Entscheidungsfreiheit in der Therapie wirken dem aktuellen Therapeut*innenmangel
entgegen. Allerdings müssen hierzu auch entsprechende Bedingungen und attraktive
Karrierepfade im Versorgungssystem geschaffen werden. Nicht die Quantität der
Therapeut*innen, sondern die Qualität der Therapie ist für zukünftige Versorgungssicherheit entscheidend. Gerade junge Menschen vor der Berufswahl könnten ohne Einsicht in diese Sachzusammenhänge leicht Entscheidungen treffen, die ihren eigentlichen Zielen nicht gerecht werden.

Wir rufen den Gesetzgeber daher auf, an geeigneter Stelle im Gesetzentwurf die
Perspektive einer zukünftigen Vollakademisierung deutlich zu machen und die
Durchführung von Begleitforschung zu den Auswirkungen des Gesetzes und einer
Evaluation des Akademisierungsprozesses in zehn Jahren festzulegen. Auch der
Wissenschaftsrat hält diesen Zeitpunkt für eine Neubefassung mit dem Thema für
adäquat. Für einen fachlichen Austausch dazu steht der HVG gerne zur Verfügung.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. habil. Bernhard Borgetto
Hochschulverbund Gesundheitsfachberufe e.V., 1. Vorsitzender
HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst,
Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit
Goschentor 1, D-31134 Hildesheim
E-Mail: vorstand@hv-gesundheitsfachberufe.de

Lesen Sie auch:

Das von den größten Berufsverbänden mit unterzeichnete Strategiepapier
von HVG und VAST, das datengestützt und differenziert die Notwendigkeit und Machbarkeit einer ‚Vollakademisierung‘ in einer Übergangszeit von 10-15 Jahren beschreibt.

Kritisch-konstruktiver Austausch über die Vollakademisierung im Sächsischen Landtag

Am 15. Januar 2024 nahmen Prof. Dr. Bernhard Borgetto, Sprecher des Bündnisses Therapieberufe an die Hochschulen, und Prof. Dr. Annette Probst, 1. Vorsitzende des Fachbereichstags Therapiewissenschaften, an der Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt im Sächsischen Landtag in Dresden teil.

Die Einladung erfolgte als Reaktion auf den offenen Brief des Bündnisses Therapieberufe an die Hochschulen an das Bundesministerium für Gesundheit, der auch den entsprechenden Ländergremien zugegangen war.

Am 15. Januar 2024 nahmen Prof. Dr. Bernhard Borgetto (links im Bild), Sprecher des Bündnisses Therapieberufe an die Hochschulen, und Prof. Dr. Annette Probst, 1. Vorsitzende des Fachbereichstags Therapiewissenschaften (rechts im Bild), an der Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt im Sächsischen Landtag in Dresden teil.

Die Einladung erfolgte als Reaktion auf den offenen Brief des Bündnisses Therapieberufe an die Hochschulen an das Bundesministerium für Gesundheit, der auch den entsprechenden Ländergremien zugegangen war.

Nutzen der hochschulischen Ausbildung dargestellt und Fragen beantwortet

Nach einem einleitenden 15-minütigen Vortrag von Prof. Borgetto zu den aktuellen Empfehlungen des Wissenschaftsrats und den Hintergründen der Forderung nach einer Vollakademisierung der Therapieberufe (Folien zum Download), stellten sich die Vertreter des Bündnisses den Fragen der Ausschussmitglieder. Diese bezogen sich auf vielfältige Aspekte rund um die Vollakademisierung. Den Nutzen der Vollakademisierung hat keiner der Ausschussmitglieder während der Sitzung in Frage gestellt.

Auch die Sächsische Staatsministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, Petra Köpping (SPD), nahm mit dem zuständigen Referatsleiter an der Ausschusssitzung teil. Sie sorgte sich, dass die einzurichtenden Studiengänge ähnlich wie in der Pflege nicht ausreichend ausgelastet sein könnten. Mit dem Hinweis, dass solche Erfahrungen in den Therapiestudiengängen bislang nicht vorlägen und es zudem Möglichkeiten gäbe, die Studiengänge entsprechend attraktiv zu gestalten (Aufwandsentschädigungen für Praktika in Versorgungseinrichtungen, Autonomiezuwächse, Kompetenzsteigerungen) und dies auch zu kommunizieren, begegneten die Bündnisbeteiligten der Sorge der Ministerin positiv.

Machbarkeit und Nutzen im Fokus

Zentrale Punkte des Austausches waren die Finanzierung der Studiengänge, der Effizienzzuwachs durch qualitativ verbesserte und an zukünftige Anforderungen angemessene Versorgung sowie der befürchtete Therapeut*innenmangel durch die Vollakademisierung. Alle Fragen wurden in einer sachlichen und kritisch-konstruktiven Atmosphäre besprochen.

Außerdem wiesen die Bündnisbeteiligten auf die Empfehlung des Wissenschaftsrats zur Einrichtung von bundeslandbezogenen Zentren für Forschung, Lehre und Versorgungssteuerung hin. „Der Austausch war ein voller Erfolg und sollte Vorbild für die jeweiligen Ausschüsse und Ministerien der anderen Bundesländer sein“, so das Fazit von Prof. Bernhard Borgetto.

 

Nachlese TherapieGipfel 2024 | Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen

Perspektiven gestalten – jetzt und über die Wahlperiode hinaus!

Am 24. November 2023 hat der Bundesrat dem Pflegestudiumstärkungsgesetz zugestimmt und damit die Modellstudiengänge in den Therapieberufen ab 1. Januar 2025 entfristet. Bereits Ende Oktober hatte sich der Wissenschaftsrat klar für eine Stärkung der Wissenschaft in den Therapieberufen ausgesprochen. Mitte November gab es auch im Rahmen des TherapieGipfel 2023 Äußerungen, die auf eine zukunftsfähige Weichenstellung der Politik für die Zukunft der Therapieberufe hoffen lassen. Aus Sicht des Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen müssen endlich entsprechende Gesetze folgen, die die Perspektiven einer vollständigen Akademisierung konkretisieren. Diese Perspektive muss bereits in dieser Legislaturperiode klar in den Blick genommen werden.

Nachlese TherapieGipfel zur Akademisierung

„Auch wenn wir uns als Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen mehr Klarheit und eine gemeinsame Perspektive zu den neuen Berufsgesetzen für die Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie gewünscht hätten und nach wie vor für erforderlich halten: Es gab auf dem diesjährigen TherapieGipfel des Spitzenverbandes der Heilmittelverbände trotzdem Ansätze, die uns motivieren, nicht locker zu lassen und die Vollakademisierung für alle drei Therapieberufe weiterhin zu fordern“, betont Prof. Dr. Bernhard Borgetto, Sprecher des Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen.

Am deutlichsten äußerte sich Saskia Weishaupt von BÜNDNIS 90/Die Grünen zur politischen Verantwortung der aktuellen Regierungsparteien: „Ja, die Teilakademisierung kann ein Transformationsprozess sein“, ordnete Saskia Weishaupt die aktuelle Diskussion im Rahmen der Podiumsdiskussion auf dem TherapieGipfel ein. Die Bundestagsabgeordnete hat außerdem die rhetorische Frage gestellt – Zitat: „Was ist denn die Lösung oder was stellen wir uns denn als Perspektive vor?  Ich glaube, das ist auch Aufgabe von Politik immer zu sagen, was ist denn unsere Vorstellung. Was ist denn in 10, 15, 20 Jahren. Wo wollen wir denn hin in der Versorgung?“ Und sie ergänzte in einem eindrücklichen Appell: „Das muss einem doch irgendwer erzählen können! Wir können [uns] doch nicht immer von Wahlperiode zu Wahlperiode hangeln (.) Ich glaube, wir müssen die nächsten zwei Jahre noch ganz gut nutzen, um einiges, was wir uns vorgenommen haben, hinzubekommen und den Leuten eine Perspektive zu geben.“

Aus Sicht des Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen muss die Perspektive das zentrale Ziel bei der Reform der Berufsgesetze sein: Ein verbindlicher und zeitlich begrenzter Zeitraum, in dem sich die berufsfachschulische Ausbildung hin zu einer rein hochschulischen Ausbildung entwickelt. Das Bündnis geht da von 10 bis 15 Jahren aus, je nach Therapieberuf. Diese Transformationszeit ermöglicht es den Bundesländern erforderliche Strukturen und Studienkapazitäten auf- und auszubauen sowie die finanziellen Mittel dafür zu bündeln. Aber auch den Fachschulen und den dort Beschäftigten kann ein geregelter Transformationsprozess eine verbindliche Perspektive geben. Die Reform jetzt entscheidet über die Attraktivität der Therapieberufe von morgen und damit über eine modernisierte Patientenversorgung.

„Als Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen werden wir weiter gezielt auf die Entscheider*innen im Bund und in den zuständigen Landesministerien zugehen, um der historischen Chance für die Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie und damit einer zukunftsfähigen Patientenversorgung die bestmögliche Perspektive zu geben“, untermauert Prof. Dr. Bernhard Borgetto den Gestaltungswillen der Bündnispartner.

Über das Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen:

Im Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen haben sich die mitgliederstärksten Berufs- und Ausbildungsverbände der Berufsfelder Ergotherapie, Logopädie sowie der Physiotherapie zusammengeschlossen. Gemeinsam repräsentieren sie die führenden Bündnisse der Hoch- und Berufsfachschulen sowie über 130.000 Ausübende und Auszubildende der Gesundheitsfachberufe Logopädie, Ergotherapie und Physiotherapie – und damit den Großteil der jeweiligen organisierten Arbeits- und Ausbildungsleistenden.

Kontakt

Prof. Dr. habil. Bernhard Borgetto, Bündnissprecher

kontakt@buendnis-therapieberufe.de

Kampagnenstart: Bündnis Therapieberufe sendet Weckruf an die Politik

Neue Kampagne soll Politik aufrütteln

Das Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen legt den Finger in die Wunde und macht auf den aktuellen Schlingerkurs der Politik in Sachen Akademisierung der Therapieberufe mit einer weiteren Kampagne aufmerksam. Ab dem 23. Mai 2023 startet das Bündnis über die Sozialen Medien nochmals eine Informationskampagne gegenüber den politischen Entscheidern, unserer Branche und der allgemeinen Öffentlichkeit um über den Mehrwert einer hochschulischen Ausbildung und die erforderlichen Schritte für eine zukunftsfeste Gesundheitsversorgung aufzuklären.

Politischer Kurs zur Akademisierung auf Schlingerkurs? Nicht mit uns!

Aus Sicht des Bündnisses Therapieberufe an die Hochschulen ist der politische Diskurs zu diesem zukunftsweisenden Thema der Akademisierung ins Schlingern geraten. Die Vorteile einer hochschulischen Ausbildung müssen derzeit scheinbar wirtschaftlichen und anderen Betrachtungsweisen weichen. Das Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen wird jetzt nicht lockerlassen und der Politik mit aller Klarheit aufzeigen, dass sich der aktuell angedachte Weg eines Nebeneinanders von fachschulischer und hochschulischer Ausbildung zu Lasten der Physiotherapie und damit auch zu Lasten der therapeutischen Versorgung der Patientinnen und Patienten auswirkt.

Richtiges stärken, mit Fehlinformationen aufräumen

Das Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen teilt die Ansicht des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), dass akademisch ausgebildete Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten weitreichendere Kompetenzen benötigen und diese in der Versorgung zum Tragen kommen sollen. Allerdings ist das Bündnis Therapieberufe überzeugt, dass die aktuell in der Politik diskutierten Vorschläge nicht zum erhofften Ziel führen. Der Beruf zur/m Physiotherapeutin/en ist nicht teilbar! Genau das sehen aber die Überlegungen im Ministerium derzeit vor – ein Nebeneinander von fachschulischer und hochschulischer Ausbildung mit gleicher Berufsbezeichnung als Abschluss. Das darf so nicht kommen! Denn: Es spaltet die Berufsgruppe und sorgt für Verwirrung bei den Patientinnen und Patienten. Lösungen liegen auf dem Tisch und das Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen als größter Zusammenschluss der Vertretungen in den Therapieberufen wird diese nochmals mit Nachdruck in der Politik platzieren.

Mitmachen und Zukunft gestalten

Das Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen setzt sich für eine zukunftsweisende Reform in dieser Legislaturperiode ein. Denn: Nur alle 30 oder mehr Jahre fasst die Politik ein Berufsgesetz an. Was wir jetzt nicht für die zukünftigen Kolleg*innen sowie für die Patient*innen durchsetzen, das kommt die nächsten Jahrzehnte nicht zum Tragen für unsere Berufe und für die therapeutische Versorgung in Deutschland.  Deshalb wird die Social-Media-Kampagne des Bündnisses ab dem 23. Mai gezielt an die Entscheider*innen in der Politik adressiert sein.

Darüber hinaus rufen wir alle Therapeutinnen und Therapeuten sowie Patientinnen und Patienten auf, ebenfalls Flagge zu zeigen und die Posts auf Facebook und Twitter zu liken, teilen und zu kommentieren. Jetzt gilt´s! Alles zur Aktion finden Interessierte ab dem 23.05.2023 auf der Bündnis-Homepage.

Zum Hintergrund

In den letzten Monaten tagte auf Einladung des BMG einmal pro Monat das sogenannte Bund-Länder-Begleitgremium, in dem von den Bundesländern entsandte Vertreterinnen und Vertreter über Teilaspekte der Ausbildungsreform sprachen. Ziel des BMG bildet es, weitere Informationen zu sammeln, die dann in die Erarbeitung eines Referentenentwurfs einfließen sollen. Die nächste und möglicherweise letzte Sitzung des Begleitgremiums soll Anfang Juni stattfinden. Deshalb ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, um mit einer weiteren Aktion als Bündnis Therapieberufe an die Hochschule durchzustarten.

Weichenstellung der Politik entscheidend

Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, ob die Politik ausreichend Mut hat, eine moderne, patientenzentrierte und attraktive Ausbildung für die Physiotherapie auf den Weg zu bringen. Das Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen wird nicht lockerlassen, sich für eine zukunftsfeste Ausbildung einzusetzen. Es geht dabei um die Versorgung von morgen und um attraktive Berufsbilder in der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie.

Das Bündnis fokussiert sich mit seinen Aktivitäten auf die Gesundheitspolitik, weil es um die Weiterentwicklung und Sicherstellung der therapeutischen Versorgung der Patientinnen und Patienten geht und wendet sich ebenso verstärkt an die Bildungs-, Wissenschafts- und Finanzressorts der zuständigen Ministerien. Denn: Bei der Transformation hin zu einer rein hochschulischen Ausbildung der Therapieberufe müssen die Ministerien verzahnt agieren, um Strukturen zu schaffen, Gelder zur Verfügung zu stellen. Das wird am Ende einen bestmöglichen Input für eine moderne therapeutische Versorgung der Patientinnen und Patienten zu erwirken!

Über das Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen:

Im Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen haben sich die mitgliederstärksten Berufs- und Ausbildungsverbände der Berufsfelder Ergotherapie, Logopädie sowie der Physiotherapie zusammengeschlossen. Gemeinsam repräsentieren sie die führenden Bündnisse der Hoch- und Berufsfachschulen sowie über 130.000 Ausübende und Auszubildende der Gesundheitsfachberufe Logopädie, Ergotherapie und Physiotherapie – und damit den Großteil der jeweiligen organisierten Arbeits- und Ausbildungsleistenden.

Kontakt

Prof. Dr. habil. Bernhard Borgetto, Bündnissprecher

kontakt@buendnis-therapieberufe.de

 

 

 

Wann, wenn nicht jetzt? Stellungnahme zur Akademisierung des Vereins zur Förderung eines Nationalen Gesundheitsberuferates

Die hochschulische Qualifikation der Therapieberufe ist überfällig!

Die Modellklauseln zur akademischen Erstausbildung von Ergotherapeut:innen,
Logopäd:innen und Physiotherapeut:innen wurden seit 2009 bereits zweimal verlängert, nunmehr bis Ende 2024. Diätassistent:innen warten seither vergeblich auf eine Modellklausel. Wie lange dauern Modellvorhaben in Deutschland? Die berufsständischen Vertretungen sowie die Hochschul- und Schulverbände schlagen Alarm: die berufsgesetzliche Neuordnung der Ausbildung der Therapieberufe ist dringend erforderlich. Sie zielt auf einen Systemwechsel: die Primärqualifikation soll an Hochschulen stattfinden.
In Europa sind solche berufsqualifizierende Bachelorstudiengänge Standard. Wegen der fehlenden politischen Zielperspektive in Deutschland entsteht nun ein nicht
nachvollziehbares Nebeneinander von Modellstudiengängen und schulischen Ausbildungen. Warum gibt es in Deutschland anders als in anderen europäischen Ländern eine Diskussion darüber, ob Gesundheitsberufe einer wissenschaftsbasierten hochschulischen Qualifikation bedürfen? Warum stehen in Deutschland die Erhaltung vollzeitschulischer Ausbildungsformen und die Belange der dahinterstehenden Interessen von Ausbildungsträgern im Vordergrund, wo es doch um eine qualitativ hochstehende Versorgung im Gesundheitswesen geht?
In diesem Zusammenhang gilt es klarzustellen, dass es nicht um die Befindlichkeiten von Berufsgruppen im Gesundheitswesen geht, auch nicht um deren Wertschätzung und Anerkennung. Es geht einzig und allein darum, die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung gemäß den gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen zu gestalten. Diesem verfassungsrechtlichen Auftrag ist bei der künftigen Gestaltung des Berufsrechts der Gesundheitsberufe zeitgemäß Rechnung zu tragen. Das jetzige Gesundheitsberuferecht ist in vielen Teilen veraltet. Es ist nicht mehr ohne weiteres möglich, mit einer nicht mehr zeitgemäßen Ausbildung im Gesundheitswesen junge Menschen zu motivieren, in diese anspruchs- und verantwortungsvollen Berufe einzusteigen.
Es gibt konkrete Anlässe, dieser in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern
rückwärtsgewandten Diskussion entgegenzutreten. So geben die aktuellen Verlautbarungen um die Neuverortung der Berufe in der Physiotherapie, die sich gerade in der Vorbereitung der Berufsgesetznovellierung befinden, dem Verein zur Förderung eines Nationalen Gesundheitsberuferates (NGBR) Anlass für einen Aufruf, die Ausbildung der Gesundheitsberufe zukunftsgerichtet an den allseits bekannten Herausforderungen einer gegenwärtigen und zukünftigen qualitativ hochstehenden Versorgung auszurichten.
Die geforderten hochschulischen Ausbildungen der Therapieberufe dienen nicht dem
Selbstzweck: Es geht um die Sicherung der Qualität therapeutischer Leistungen, um die Respektierung sozialrechtlicher Grundlagen (Evidenzbasierung, Wirtschaftlichkeit etc.). Es gilt die Fachexpertise der Therapieberufe für die gesellschaftliche Aufgabe einer Sicherstellung von Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau zu nutzen und Therapeuten als Partner in interprofessionellen Settings zu verstehen. Für die komplexen Versorgungsbedarfe (Multimorbidität, hochbetagte Patienten, Ausschöpfung von Rehabilitationspotentialen, Stärkung sozialer Teilhabe durch Bewegung, Betätigung, Ernährung und Kommunikation) und deren Sicherung sind neben anderen Berufsgruppen gerade auch die Beiträge der Therapieberufe wichtiger denn je.
Hochschulische Ausbildung bedeutet nicht nur, wissenschaftsbasiert Ausbildungsinhalte zu vermitteln. Hochschulische Ausbildung gründet sich auch auf Forschung in den jeweiligen Fachgebieten, deren Ergebnisse den Studierenden vermittelt werden solle. Berufsfachschulische Ausbildung hat diesen Anspruch nicht. Warum soll die in der Ausbildung von Ärzten selbstverständlich gewordene Kombination von Wissenschaft und praktischem ärztlichem Tun nicht auf die anderen Heilberufe übertragen werden? Deutschland hat in diesem Punkt bisher leider versagt.
Es kann auch nicht mehr angehen, Gesundheitsberufe gemäß berufsfachschulischer
Ausbildung auf das Niveau von DQR 4 zu führen. Deshalb ist die Anpassung an internationale Bildungsstandards (siehe Hebammen) durch die Einführung der hochschulischen Ausbildung als Regelausbildung dringend geboten.

Zukunftsorientierte politische Weichenstellung zur hochschulische Ausbildung dringend erforderlich

Der Verein zur Förderung eines NGBR spricht sich daher für die Vollakademisierung der vier Therapieberufe (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Diätetik) aus. Die notwendige und überfällige Bildungs- und Gesetzesreform darf nicht an Partikularinteressen der Ausbildungsträger scheitern. Die Gesundheitsberufe in der Versorgungswelt müssen im Vordergrund stehen, damit die Bürgerinnen und Bürger die ihnen zustehende gesundheitliche Versorgung erhalten können. Ein „weiter so“ darf es deshalb nicht geben.
Die einfache Botschaft ist: Es gilt, die Potenziale der Therapieberufe zu nutzen, um die
Gesundheitsversorgung zu stärken und zu sichern. Für die Gesundheitsversorgung sind immer noch vor allem Personen zuständig. Diese gilt es entsprechend zu qualifizieren.

Der Verein zur Förderung eines Nationalen Gesundheitsberuferats hat schon im August 2016 und im November 2020 in Stellungnahmen vor einem unerträglichen Stillstand bei der Modernisierung der Gesundheitsberufe gewarnt. Die Debatte darüber ist hinlänglich bekannt. Die Notwendigkeit einer hochschulischen Qualifikation ist bei den Hebammen und – in Grenzen – mittlerweile auch bei den Pflegefachpersonen anerkannt. Bei den Therapieberufen scheint dies weniger eindeutig zu sein. Deshalb wird das Bundesministerium für Gesundheit erneut dringlich aufgefordert, die anstehende Modernisierung für alle vier Therapieberufe noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen und die hochschulische Ausbildung als Regelausbildung in den Berufsgesetzen zu verankern.

Der Vorstand des Vereins zur Förderung eines Nationalen Gesundheitsberuferates:
Dr. Almut Satrapa-Schill (Vorsitzende), Prof. Dr. Gerhard Igl, Uta Köpcke, Prof. Dr. Michael Rosentreter; Melanie van Waveren.

Verantwortlich im Sinne der Presse: Dr. Satrapa-Schill, Steige 23, D-71120 Grafenau
Kontakt: geschaeftsstelle@nationalergesundheitsberuferat.de

Näheres zum Verein zur Förderung eines NGBR finden Sie hier.